Seit 50 Jahren bespielt der Schachclub Künzelsau die 64 schwarz-weißen Felder.
Konzentriert sitzen sich Bruno Buchholz und Matthias Wolschke gegenüber. Angespannt blicken sie auf 64 schwarz-weiß karierte Felder vor sich und auf die 32 Figuren. Mit einem Mal fährt Wolschkes Hand blitzschnell vor und schiebt einen Bauern ein Feld voran. Ein kleiner Schritt für einen Nichteingeweihten, aber ein großer Raumgewinn für den Spieler am Brett. Da kennen sich Buchholz und Wolschke aus. Schließlich spielen sie Schach im Verein. Ihr Club, der SC Künzelsau, feiert dieses Jahr 50-jähriges Bestehen.
Am 17. Mai 1967 folgten rund 20 Freunde des Spiels einem Aufruf in der Hohenloher Zeitung und trafen sich im Café Heigold. Ein Monat später wurde der Verein gegründet. Erster Vorsitzender war Günter Stricker. Zunächst schloss man sich dem TSV Künzelsau an. 1981 wagten die Verantwortlichen den Sprung in die Eigenständigkeit.
Schon früh hat die Abteilung Verantwortung übernommen und 1970 die Württembergischen Meisterschaften ausgerichtet. Lange Zeit veranstalteten die Künzelsauer neben der Vereinsmeisterschaft auch eine städtische und die Hohenloher Meisterschaft. Größter Erfolg in den Mannschaftswettkämpfen war der Titel in der Bezirksliga 1993 mit Aufstieg in die Landesliga, berichtet Schriftführer Matthias Wolschke.
Diese Saison treten drei Künzelsauer Mannschaften an, die höchste in der Kreisklasse. Freitagabends treffen sich die Schachfreunde zum Training in der Feuerwache, sonntagvormittags spielt die Liga. „In all den Jahren ist beim Wettkampf noch nie der Feueralarm losgegangen“, sagt Vereinsvorsitzender Jörg Hoffmann. „Aber wenn freitags Übungen sind, klebt unsere Jugend an den Fenstern.“ Kaum macht er den Mund zu, fährt ein Löschfahrzeug heulend vom Hof.
Rekord-Vereinsmeister Josef Pihaly gehört zu den Männern der ersten Stunde. Damals war er 13 Jahre alt, heute ist er 63. „Gibt es eine Sportart, die man über so lange Zeit aktiv ausüben kann?“, fragt er. und gibt gleich selbst die Antwort: „Schach ist ein Spiel für Jung und Alt.“ Auch für den Vereinsältesten Günter Stricker (83) ist Schach die schönste Nebensache der Welt.
„Man lernt vorausschauendes Denken, analytische Fähigkeiten und Verantwortung zu übernehmen für seine Züge“, so Jugendtrainer Berthold Schulz. „Diese Fähigkeiten braucht man in allen Bereichen des Lebens.“ Überhaupt sei das königliche Spiel ein besonderes: „Schach ist uralt. Andere Spiele kommen und gehen, Schach bleibt − und man wird nicht so fies gefoult wie beim Fußball“, sagt er lachend. Trotzdem kann man sich richtig quälen. Wettkämpfe gehen über bis zu fünf Stunden. „Danach ist man ausgepowert. Man verliert Gewicht dabei“, sagt Pihaly. Spielleiter Bruno Buchholz erzählt von seiner längsten Partie: „Die dauerte neun Stunden − und endete Remis.“
Besonderes Flair hat „Schach im Schloss“: Das Schnellschach-Turnier im Schlosshof ist das einzige Open-Air-Turnier Süddeutschlands. „Die Atmosphäre ist unbeschreiblich“, so Vereinsvorsitzender Hoffmann. Bei der elften Auflage dieses Jahr nahmen 112 Schachfreunde aus dem Südwesten teil − ein Riesenturnier sogar mit Großmeistern.
Die Idee geht auf den verstorbenen Vordenker Wolfgang Slominski zurück. Er sagte: „Lasst uns rausgehen, drinnen sieht uns keiner.“ Ein Problem, das dem Schachsport anhaftet. Auch das Internet hat den Sport verändert. Dort kann man spielen, ohne ein Vereinsheim zu betreten. Trotzdem bleibt die Mitgliederzahl konstant bei etwa 50 Schachfreunden. Die Hälfte sind Jugendliche, ein Ausweis für gute Jugendarbeit. „Allerdings ist die Fluktuation höher geworden“, gibt Jugendleiter Schulz zu. Auch bei den Erwachsenen lässt die Anwesenheit beim Spielabend nach.
Josef Pihaly ist fürs Brett statt Internet: „Man will doch dem Gegner in die Augen schauen. Man will sehen, wie er verzweifelt.“ Und wenn man selbst der Verzweiflung nahe ist? „Das ist das Schöne am Blitzschach“, dessen Partien höchstens zehn Minuten gehen, sagt Wolschke: „Neues Spiel, neues Glück!“
Quelle: Torsten Büchele, Hohenloher Zeitung, August 2017
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